Donnerstag, 26. August 2010

Electrocution, dieser Neologismus aus dem 20. Jahrhundert bezeichnet in der englischen Sprache die Hinrichtung durch den elektrischen Stuhl. Ein entsprechendes Wort im Deutschen ist mir nicht bekannt.
Das deutsche Word Vergasung kann seit dem Nationalsozialismus mit gasification nicht mehr treffend ins Englische übersetzt werden, da seine Konnotation längst jene politische Unschuld verloren hat, die den rein technischen Terminus der englischen Sprache noch immer auszeichnet. Geht es im Englischen in erster Linie um Zerfallsprozesse und Abfallbeseitigungen, so ist die naheliegendste Bedeutung des deutschen Wortes in das Gebiet der politischen Massenmorde abgewandert. Das Wort Biomassevergasung geht heute nicht mehr ohne den bitter-zynischen Beigeschmack der deutschen Geschichte über die Zunge.
Mit dem englischen Ausdruck electrocution verbindet man hingegen die Bezeichnung für eine strafrechtliche Hinrichtung mit Hilfe des elektrischen Stuhls. Das Fremdwort soll die Sache neutralisieren, die es bezeichnet. Der Ausdruck ist zwar nicht schön, doch er ist auch weniger offensichtlich mit Schuld belastet wie das deutsche Wort vergasen. Dennoch bezeichnen beide Wörter totbringende Dispositive einer totalen Gewalt über das Leben. Wenn nun einer der beiden Ausdrücke weniger mit Unrecht belastet ist als der andere, dann gibt es dafür nur eine Erklärung, nämlich die, dass er noch nicht nachhaltig mit einem durch die Geschichte bloßgestellten Unrecht in Verbindung gebracht werden konnte.
Stattdessen bezeichnet er eine bestimmte Technik der Exekutivgewalt des Strafrechtssystems. Doch genau genommen ist die Sanktion eines Mordes durch die Tötung des Straftäters ein Ausdruck von totaler Herrschaft über das Leben, die jeder Staatsgewalt notwendig widerspricht, sofern diese im Auftrag steht, das Recht auf Leben für die Bevölkerung eines umgrenzten Gebiets durchzusetzen.
Der Gedanke, dass eine ähnliche Rechtfertigung des Wortes electrocution unter der nationalsozialistischen Rechtsprechung auch für den vulgären Ausdruck Vergasung gegolten haben könnte, wird notwendig von der erschreckende Überlegung eingeholt, dass es sich bei der kollektiven Vergasung und der individuellen electrocution nur um einen zahlenmäßigen, doch nicht um einen Unterschied in der Sache handelt. Durch beide Fälle, die Bedeutungsverschiebung des Wortes vergasen und die Benennung einer staatlichen Tötungstechnik durch den Einsatz elektrischen Stroms, wird deutlich, dass die politisch-juridische Sinnhülle eines Worts erst dann mit Schuld beschmiert wird, wenn die historische Instanz des geltenden Rechts die Bedeutung dieses Wortes ausgestoßen hat.