Crack hat in der englischen Sprache viele Bedeutungen. Als Bezeichnung einer geknackten Software oder eines gut trainierten und sehr geschickten Experten, den man für solche Sachen verantwortlich machen könnte, ist der unverfälschte Ausdruck längst auch ins deutsche Idiom eingewandert. Die hierzulande durch den Gebrauch des Wortes produzierte Mehrdeutigkeit, ist aber mit der in seiner Herkunftsprache kaum vergleichbar.
Als erstes solltest du wissen, dass andere deinen
crack häufiger sehen als du selbst. Einige wissen es, wenige reizt es und die meisten juckt es nicht. Im Englischen kann von
crack immer dann die Rede sein, wenn ganz allgemein auf die Fraktur eines Körpers, eine Bruchstelle, einen Riss oder eine Furche hingewiesen wird. Wie so oft erscheint auch hier eine unterstellte Ähnlichkeiten als der Grund für die umgangssprachliche Bedeutungsverschiebung von x-beliebigen Körpern auf einen ganz bestimmten, den menschlichen. Im vulgären Gebrauch kann das Wort in der britischen Sprache auch als Synonym für die Vulva der Frau auftauchen, in der Umgangssprache wird damit aber häufiger der Spalt zwischen den beiden Gesäßhälften gemeint. Die zahlreich in der Kunstgeschichte versammelten Halbakte haben
crack und die Kunst untrennbar miteinander verschmolzen. Die
cracks von Frauen und Männern wurden in Stein verewigt, auf Leinwänden gemalt, gehandelt und zum erotischen Ideal geformt. Im ungeschminkten Alltag bleibt das
sex appeal der bezeichneten Sache dagegen äußerst ambivalent. Der weibliche
crack mag noch als anziehend betrachtet werden, während der männliche meist nur aufgrund seiner abschreckenden Wirkung zum Einsatz kommt. Vielleicht, weil der
crack des Mannes nur in seinen schwächeren Momenten in Erscheinung tritt. Und Schwäche, die nicht auf Starkes, Sexy Bräute, Superweiber, Boxer und Maschinen gerichtet ist, ist noch immer eines der wenig geliebten Attribute des Mannes. Wer dauernd in die Knie geht und buckeln muss, der zeigt, ob er will oder nicht, der Welt seinen
haarigen, schweißigen und manchmal pickligen crack. Dass der crack des Mannes im Deutschen mit dem Wort „Bauarbeiterdekolleté“ bezeichnet wird, spricht weniger für Einfallsreichtum und Phantasie als vielmehr für die, im übertragenen Sinn, harten Tatsachen des Betriebsalltags. In der Erdölindustrie bezeichnen crack oder crack spread die Wertdifferenz und den Preisaufschlag, der durch thermische und chemische Verfahren der herstellen kurzer Kohlenwasserstoffketten aus schwerern langkettigen Molekülen möglich ist. Das Rohöl (crude oil) wird durchs cracken (spalten oder aufknacken der Moleküle durch fraktionierte Destillation) in leichtere Destillate wie Benzin, Naphtha, Diesel, Heizöl, Kerosin und Ethylene umgewandelt. Dadurch kann die Viscosität des Rohmaterials reduziert (visbreaking) und der Stoff in Raffinerieprodukte verwandelt, die sich leichter vermarkten lassen und höhere Preise erzielen. Das Wort wird hier metonymisch gebraucht, da mit crack eigentlich der Preisaufschlag durch Destillation der Ausgangsstoffes gemeint ist, obwohl im engeren Sinne der Vorgang des crackens bezeichnet wird, der diese Wertdifferenz erzeugt. Wenn crack spread jetzt also als eine Folge der Rohöl-Raffination verstanden wird, dann nur weil der Gesamtprozess der Verarbeitung, Veredelung (upgrading) und der Vermarktung der Endprodukte mit gemeint ist.
In Irland soll man sich hin und wieder mit der Frage "Hey, what's the crack?" oder "How's the crack?" begrüßen. Damit wird nicht die Sorge um steigende oder fallende Ölpreise zum Ausdruck gebracht, und damit beginnt auch nicht immer der shop talk zwischen dealer und client – auf die Bezeichnung der Droge komme ich gleich zurück. Man erkundigt sich lediglich um des anderen Befinden und ist dabei freilich auch an allerlei Neuigkeiten und Gerüchten interessiert.
Die etymologische Wurzel des Wortes soll in der Sprache Nordenglands liegen. Das Wörterbuch der schottischen Sprache verzeichnet unter dem Eintrag crak, crake oder crack insgesamt sechs verschiedene Bedeutungen: erstens das Knicken und zweitens das Knacken von etwas, das heißt, das Zerbrechen eines dünne Gegenstand in zwei oder mehrere Teile und das knackende Geräusch, das er dabei macht. Aufgrund der Bezeichnung dieses eher leisen Geräusch ist verwirrend, dass das Wort, drittens, auch einen schallenden lauten Knall bezeichnen kann. Viertens und fünftens steht es für Prahlerei und aufschneiderisches Reden und schließlich werden, sechstens, Klatsch, Tratsch und Gerüchte damit gemeint.
„And after thou has crackt so crouse,
Thy mountains do bring forth a mouse“
Vermutlich nahmen die Iren das Wort auf, gälisierten es durch den eigenen, hauptsächlich zur Belustigung und Unterhaltung vorgesehenen Wortgebrauch und assimilierten es schließlich dem Gälischen durch die Schreibweise „craic“, in der es später wieder von der englischen Umgangssprache zurück adoptiert wurde. Seit ungefähr zwanzig bis dreißig Jahren ist es wieder in Großbritannien in Gebrauch, jetzt aber als das Wort craic, das crack meint. In dieser Form hält man es heute allerdings für die Bezeichnung einer typisch irischen Form der Spaßkultur.
Schließlich kennt jeder das Wort crack aus Filmen, Fernsehen und/oder der Wirklichkeit, wo es meistens eine inhalierbare Droge auf Kokainbasis bezeichnet. Hergestellt wird sie aus Kokainsalz und Natriumhydrogencarbonat, ein Zusatz für Backpulver und Triebmittel, Zahnpasten, Brausetabletten, doch ebenso ein beliebtes Hausmittel gegen Mundgeruch und Sodbrennen – außerdem kann es als Putzmittel zur Wasserenthärtung und Entfettung eingesetzt werden. Aus dem Betäubungsmittelverbrauchskontext wird das Wort onomatopoetisch hergeleitet; das heißt, es wird als ein Schallwort aufgefasst, das auf das knisternde Geräusch zurückgeführt wird, das beim Rauchen durch das Verdampfen der Kristallkörner zu hören ist. Als Bezeichnung der Droge dürfte das Wort wohl den meisten geläufig sein. Weniger bekannt ist hingegen, dass die Buchstaben C.R.A.C.K. auch das Akronym für eine 1997 in den Vereinigten Staaten gegründete und dort ansässige nichtstaatliche Organisation namens „Children Requiring a Caring Kommunity“ [sic] bilden. Das nichtkommerziell betriebene Programm wurde mittlerweile in „Project Prevention“ umbenannt und hat zum Ziel, drogenabhängige Frauen (und Männer) mit Geld von der Nutzlosigkeit ihrer Gebär- und Zeugungsfähigkeit zu überzeugen. Die Organisation kauft für 300 USD die Reproduktionsfähigkeit ihrer suchtkranken – wie es seitens der Organisation heißt – „Klienten“.
Wenig überraschend wurde das Projekt zur Zielscheibe der öffentlichen Kritik. Die Begründerin der Organisation, Barbara Harris, verteidigt ihr Projekt damit, dass sie schildert, wie sie vor mehr als zwanzig Jahren das Kind einer drogensüchtigen Frau adoptierte, von der sie nur wenige Monate später erfuhr, dass sie abermals schwanger wurde. Auch dieses Kind entschied Harris zu adoptieren, was sich noch zweimal wiederholte. Daraufhin versuchte sie auf die kalifornische Gesetzgebung einzuwirken und ein Rechtsinstitut zu schaffen, kraft dem Drogensüchtige künftig zu einer nachhaltigen Empfängnisverhütung gezwungen werden könnten. Ihr Vorhaben blieb aber erfolglos und so entschied Harris, suchtkranke Menschen für die Empfängnisverhütung zu bezahlen. Zunächst bot sie zweihundert USD, heute liegt ihr Angebot bei dreihundert. Nach eigenen Angaben habe CRACK bzw. „Project Prevention“ bis April 2010 3.432 „Klienten“ bezahlt, was insgesamt ein Investitionsvolumen von Neunhunderttausend USD ausmacht.
Mit ihrem Unternehmen reagiert Harris auf eine traurige Realität. Sie fordert, die Bedrohung und Beschädigung eines ungeborenen Lebens durch den exzessiven und rauschsüchtigen Lebensstil der Eltern in seiner gesellschaftlichen Bedeutung nicht zu unterschätzen. Auf ihrer Internetseite ►Link nennt die Organisation in Bezug auf eine Stichprobe von 3.245 „Klienten“ die Zahl von 15.025 Schwangerschaften. Davon kam es in 10.486 Fällen zur Geburt und in 4.495 Fällen zu einer Abtreibung. Von den Geburten waren 702 Totgeburten, 396 Neugeborene lebten nur kurz und starben noch im Krankenhaus an den Komplikationen der Geburt und 5.939 Kinder stehen bis heute unter Pflege. Aufgrund dieser Statistik, deren Daten durch Fragebögen erhoben wurden, die die Organisation an ihre Klientel verteilt hat, sah man sich dazu berechtigt, 1.059 drogensüchtigen Frauen die sogenannte Dreimonatsspritze, ein hormonelles Kontrazeptiva, zu verkaufen, dessen Anwendung von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe nur bei „reiferen Frauen mit abgeschlossener Familienplanung“ empfohlen wird. 892 Kandidatinnen ließen sich einen Intrauterinpessar, eine sogenannte „Spirale“, einsetzen und 121 versuchten es mit Implanon, einem Etonogestrel Implantat oder, in 38 Fällen mit einem anderen, seit den 1990er Jahren in den USA erhältlichen, in Europa jedoch weitgehend verbotenen Hormonimplantat namens Norplant. Bei der größten Kandidatengruppe von 1.272 Frauen und 51 Männern, wurde anstatt auf hormonelle oder mechanische Verhütungstechniken auf chirurgische Eingriffe gesetzt, die zur Sterilisation führten. Bei den Männern durch Vasektomie, bei der die Samenleiter im Hodensack des Mannes durchtrennt werden, und bei den mehr als tausend Frauen wurden die Eileiter entweder mit Clips abgeklemmt oder per Elektrokoagulation durch Hitze verschweißt.
Da es sich bei abhängigen Drogenkonsumenten um eine Risikogruppen handelt, die ihren Körper ohnehin schon in einem erhöhten Maß belasten, wäre der Hinweis auf die Risiken und möglichen Nebenwirkungen dieser Eingriffe, Implantate und Substanzen wohl nur ein schwaches Argument gegen das Projekt. Anders verhält es sich aber, wen man den juridisch-politischen Aspekt betrachtet. Wenngleich die Kandidation nicht zur Sterilisation gezwungen werden, so bleibt doch die Tatsache, dass dem wirklichen Leben im Hinblick auf ein zukommendes, und daher de facto nur mögliches Leben von rechts wegen Gewalt angetan wird. Für diese Gewaltausübung gibt es aber keine rechtliche Grundlage, weshalb es verwunderlich ist, dass sie zwar öffentlich kritisiert, von staatlicher Seite aber noch nicht unterbunden wurde. Scheinbar gelingt es der Organisation, die Politik von ihrem Nutzen zu überzeugen. Das kann sie aber nicht auf einer rechtlichen, sondern nur auf einer ökonomischen Grundlage. Aus ihrer Sicht erscheint die Investition von dreihundert USD pro Drogenabhängigen, zuzüglich der Kostenübernahme für die Verhütungsmaßnahmen, als sinnvolle Prävention einer Explosion der Folgekosten durch eine ungehemmte Austragung des „beschädigten Lebens“. Ihre Argumente sind also weder juridisch noch politisch und nicht einmal moralisch; sie sind nichts anderes als rein ökonomischer Natur. Nur auf diese Weise können Harris & Co die Politik und die Öffentlichkeit an die Notwendigkeit von CRACK gewöhnen. Ihr Kampfwort: Ein gesellschaftliches Zusammenleben ohne CRACK könnte den öffentlichen Haushalt teurer zu stehen kommen als mit.
Die historische Parallele zur Lobby-Arbeit der eugenischen Bewegung in den 1930er Jahren, die der nationalsozialistischen Eugenie im Dritten Reich als Beispiel diente und in der Hälfte der us-amerikanischen Staaten bewirken konnte, dass erzwungene Sterilisationen von Menschen mit Behinderungen oder „inferiorem Erbgut“ gesetzlich authorisiert werden konnten, sehen die Befürworter des CRACK-Projekts nicht. Obwohl Harris sich tatsächlich wie eine Gärtnerin auftritt, die im Garten des Lebens das Unkraut jätet, so das keines mehr nachwachsen kann, schlägt sie den Vorwurf der Euthanasie als absurd zurück. Schließlich werden Sterilisation oder Kontrazeption von niemanden erzwungen, sondern sie biete dafür lediglich dreihundert Dollar an. Die Entscheidung liege letztlich bei ihren „Klienten“. Dabei übersieht oder unterschlägt sie, dass ihre Klientel ausnahmslos aus Suchtkranken besteht, die in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu bestimmten Subtanzen und einer entsprechenden Versorgungsinfrastruktur stehen. Sie sind Gefangene des eigenen Körpers und eines sehr komplizierten kriminellen Apparats; sie können über ihr Tun und Lassen nicht frei entscheiden und sind in ihren Handlungen stark gebunden. Deshalb gelten Suchtkranke, als in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit stark beeinträchtigte Personen. Gemäß der Definition der World Health Organization zählen sie sogar zu den Personen mit einer „seelischen Behinderung“. Vor diesem rechtlichen Hintergrund kollidiert eine für dreihundert USD erkaufte Sterilisation, die zudem noch die prekäre Lebenssituation von Drogenabhängigen ausnutzt, mit Art 23 Absatz 1 c) des „Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“, der eine Sterilisation aufgrund der Behinderung der zu sterilisierenden Person verbietet. In diesem Sinne: Say no to crack! ►Link.