Als ich am 9. Januar 2009, also vor drei Jahren, in einem Friseursalon in Tunis saß, habe ich Folgendes aufgeschrieben.
Respektvoll nähert sich ein Taxi dem Schlagloch im fiebernden Asphalt. Die Tür entlässt einen Spalt, zwei Füße in glänzendem Lack treten auf, Münzen klimpern aus einer in die andere Hand. Nur ein Bild, das schon aus dem Augenwinkel huscht.
Nachflimmern in der Kühle eines Babiersalons: eine Reihe, drei Stühle, drei Köpfe, fünf Münder und ein langer Spiegel, der die von Rasierwasser berauschte Atmosphäre zugleich verdoppelt und durchschneidet. Hier sieht jeder sein Gesicht.
Gewetzte Messer reizen die Haut bis zur Röte. Drei Hälse sind in die Höhe gestreckt. Eine Klinge streicht über die Kehle, der Blick geht nach oben und kreuzt sich mit den kalten Augen der Fotografie eines modernen Despoten. Drei Kehlköpfe, drei Klingen und darüber das Bild von Ben Ali.
Mauve ist der Rahmen seines Portraits, doch sein Foto ist ausgebleicht und angesenkt. Es hat den Strahlen der immer wiederkehrenden Mittagsonne in Tunis dreiundzwanzig Jahre lang zu widerstehen versucht. Vergebens.
Nichts ist für die Ewigkeit.
Interieurs. Legenden des Alltags entschlüpfen einem Mund und suchen empfängliche Ohren. Jemand habe mit Holzkohle „2626“ auf den Präsidialpalast geschrieben. Kurzatmiges Lachen. Nun prangert die Chiffre der Solidaritätskasse wie ein Schandfleck auf den antiseptisch weißen Wänden der majestätischen Residenz, erklärt der Barbier über dem Kichern seiner Klientel. Die Holzkohle, sagt ein Alter, sei der Brennstoff, mit dem die Kanus angefeuert werden, sie wird für Salata Meschweja und für die Chichas gebraucht. Die Holzkohle gehört dem Volk wie Tabak, Brot und Spiele. Jetzt führt ihre Spur wie eine Lunte zum Präsidialpalast…
Damals hätte ich niemals geglaubt, was heute Wirklichkeit geworden ist. Doch wenn ich den Text heute wieder lese, dann wird klar, dass alles, was gerade im Gange ist, schon damals in der Luft lag.